
Eric-Cartman
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Inhalt
Wann sind Sorgen berechtigt?
Schaffung attraktiver Alternativen
Nur noch eine einzige Mission zu erfüllen - dafür kann man ruhig einmal um 3.00 Uhr nachts aufstehen. Und die Klassenarbeit am nächsten Morgen? Kein Problem, die schreibt sich von selbst! Sehr wohl ein Problem: Ein größer werdender Anteil der Videospieler zockt so ausgiebig, dass es zum Beispiel nicht bei nur einer nächtlichen Mission bleibt und dass Experten von Sucht sprechen - oder zumindest von Gefährdung. Ursache dafür ist meist weniger die faszinierende Spielwelt, in die die Spieler abtauchen, als der triste Alltag, den sie hinter sich lassen.
"Unsere Untersuchungen zeigen, dass von den aktiven Spielern im Schnitt zehn Prozent die Kriterien einer Sucht erfüllen", sagt Sabine Grüßer-Sinopoli von der Interdisziplinären Suchtforschungsgruppe an der Charité Berlin (ISFB). Unter Erwachsenen seien die Zahlen dabei in der Regel nicht geringer als bei jüngeren Spielern. "Bei Kindern und Jugendlichen sprechen wir allerdings nicht von Sucht, sondern von Suchtgefährdung."
Tanja Wittung vom Institut zur Förderung von Medienkompetenz
"Spielraum" an der FH Köln hält generell die Bezeichnung "exzessives Spielen" für sinnvoller. "Denn ich frage mich, ob das Wort Sucht nicht mehr verdeckt als dass es aufklärt." Dadurch könne zum Beispiel bei Eltern der Eindruck entstehen, exzessives Computerspielen sei so etwas wie Heroin. Dabei macht freilich nicht der körperliche Verfall wie bei harten Drogen das Dauerzocken zum Problem.
Vielmehr sind es die psychischen Folgen, die eine Rolle spielen: "Beim exzessiven Spielen stehen nicht der Spaß oder die Ablenkung im Vordergrund, sondern etwas ganz Anderes: Es wird zu einer nicht adäquaten Problemlösungsstrategie", erklärt Tanja Witting. Das heißt, bei Sorgen in der Schule oder im Betrieb wird nicht versucht, sie aus der Welt zu schaffen. Stattdessen wird der Computer hochgefahren - und die Sorgen werden eher größer als kleiner.
Egal ob Sucht oder Exzess: Den Umstand, dass es manche eindeutig übertreiben, sieht auch Malte Behrmann, Geschäftsführer von G.A.M.E., dem Bundesverband der deutschen Computerspieleentwickler in Berlin. Allerdings sei nicht jeder junge Zocker, dessen Eltern sich sorgen, tatsächlich ein Problemfall. "Die Eltern stehen einfach oft unwissend neben ihren Kindern und fragen sich: Was machen die da?"
Wann sind Sorgen berechtigt?
Aber wie finden Väter und Mütter heraus, ob ihre Sorgen berechtigt sind oder nicht - beziehungsweise: Wie ermittelt ein permanent spielender Erwachsener, ob er zu den Süchtigen zählt? "Wenn man für sich feststellt: Ich hab außer dem Spielen nichts, was mich glücklich macht, sollte man wachsam werden", sagt Witting. Ein Signal für das Umfeld ebenso wie für Eltern ist, wenn sich ein Freund oder das Kind immer häufiger zurückzieht, um sich vor den Bildschirm zu setzen.
Tückisch ist: "Viele spielen über das normale Maß hinaus, sind aber trotzdem nicht süchtig", sagt Witting. Grüßer-Sinopoli rät, weitere Fragen zu stellen: Kommt zum scheinbar unwiderstehlichen Verlangen nach dem nächsten Spiel die fortschreitende Vernachlässigung anderer Hobbys? "Zockt" das Kind weiter exzessiv, obwohl seine Leistungen in der Schule nachlassen? Wird es nervös, wenn es nicht spielen darf? Es müssen schon mehrere Faktoren zusammenkommen, ehe es kritisch wird.
Wichtig zu wissen ist auch, dass Online-Games die Spieler häufig noch stärker in ihren Bann ziehen als Titel, die nur auf dem eigenen PC oder der Konsole gespielt werden. "Hier gibt es viele Aufgaben, die sich nur mit besonders hohem Zeitaufwand erledigen lassen", sagt Tanja Witting. Zudem wird in so genannten Gilden oder Clans agiert. "Wenn ich dann vom Rechner weggehe, hab ich eher das Gefühl, ich verpasse etwas." Nicht zuletzt fallen für die Spiele Gebühren an, und damit es sich rentiert, muss man eben auch nachts ran - so zumindest die Logik mancher Spieler.
Schaffung attraktiver Alternativen
Wer sich als Erwachsener eingestanden hat, dass ihm die Zockerei zum Beispiel im Job ernsthafte Probleme bereitet, ist gut beraten, so schnell wie möglich damit aufzuhören. Eltern rät Grüßer-Sinopoli von der Charité, auf einen "eingeschränkten und kompetenten Umgang" ihrer Kinder mit dem Computer zu achten. "Vor allem geht es aber darum, attraktive Alternativen anzubieten, zum Beispiel gemeinsame Freizeitaktivitäten."
Eine entscheidende Rolle spielt dabei, dem Kind Erfolgserlebnisse zu verschaffen, sagt Witting. Das fehlt vielen Kindern und Jugendlichen, die sich am Rechner verlieren: "Eine solche Abhängigkeit entsteht meist nicht, weil die Spiele so toll sind, sondern weil die reale Welt so wenig verführerisch ist." Fast nur auf Menschen, die nie zu hören bekommen "Du bist gut!", können die Spiele mit ihren vergleichsweise großen Erfolgsversprechen einen so magischen Reiz ausüben, dass sie zum Problem werden.
"Vielleicht hat das Kind ja vorher Talent zum Malen gezeigt - dann kann man darauf aufbauen und sagen: Versuch das doch mal wieder!", rät Tanja Witting. Doch bei allen Ermunterungen und Bemühungen, etwas gemeinsam zu unternehmen, müssen die Eltern möglicherweise geduldig sein: Wer zuvor pausenlos am Bildschirm Schlachten geschlagen hat, für den wird sich ein Sprung vom "Fünfer" im Freibad zunächst einmal nicht spannend anhören - auch wenn es dazu den größeren Mut braucht.
Quelle:IDG Magazine Verlag GmbH/PC-WELT Online