
Eric-Cartman
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Neue Regeln sollen Grundrechtsschutz der Bürger stärken
Im Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität sollen künftig sämtliche Telefon- und Internetverbindungsdaten ein halbes Jahr gespeichert werden. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Er setzt eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) um. Zugleich brachte die Regierung neue Regeln für die Telefonüberwachung auf den Weg, die den Grundrechtsschutz der Bürger stärken sollen.
Zypries verteidigte den Entwurf gegen die zum Teil heftige Kritik von Medienverbänden, Anwälten und Datenschützern. Die Bundesregierung habe auf europäischer Ebene Widerstand gegen eine noch extensivere Regelung geleistet. "Wir haben nun eine verhältnismäßige Lösung gefunden", sagte Zypries. Mit sechs Monaten Speicherdauer bleibt Deutschland an der unteren Grenze. Ursprünglich waren in der EU bis zu 36 Monate vorgesehen. Zypries betonte, die Regierung führe keine neuen Maßnahmen ein. "Es bleibt bei den Ermittlungsmaßnahmen, welche die Strafprozessordnung schon bisher kannte."
Nach dem Entwurf wird künftig erfasst, wer wann mit wem telefoniert hat. Bei Mobilfunkgesprächen wird zudem der Standort bei Beginn der Verbindung festgehalten. Auf diese Daten können dann die Strafverfolgungsbehörden bei Verdacht auf eine Straftat zugreifen. Beim Surfen werden Daten über den Internetzugang (die IP-Adresse des Computers), die E-Mail-Kommunikation und Internettelefonie erfasst. Der Inhalt des Gesprächs und Daten, die Aufschluss über aufgerufene Internetseiten geben, dürfen nicht gespeichert werden.
Die neuen Regeln für die Telekommunikationsüberwachung reagieren auch auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist eine Überwachung unzulässig, wenn das Gespräch den Kernbereich privater Lebensführung betrifft. Die Telefonüberwachung soll auf schwere Straftaten beschränkt werden. Zusätzlich werden Überwachungen bei einer Reihe von weiteren Straftaten möglich. Dies betrifft beispielsweise Korruptionsdelikte, Menschenhandel, Kinderpornografie, Dopingdelikte und Verbrechen gegen das Völkerrecht.
2005 gab es nach Angaben des Justizministeriums 4925 Überwachungen. Diese betrafen 12.600 Personen, die zum Teil mehrere Telefone benutzten. Bei einer Gesamtzahl von knapp fünf Millionen Ermittlungsverfahren wurden damit nur bei einem Promille Überwachungsmaßnahmen angeordnet.
Die Überwachungsmaßnahmen müssen von einem besonderen Gericht angeordnet und die Betroffenen anschließend benachrichtigt werden. Sie können auch nachträglich klagen. Werden erhobene Erkenntnisse nicht mehr benötigt, müssen sie gelöscht werden. Laut Justizministerium wird mit dem Gesetzentwurf zudem der Schutz von Berufsgeheimnisträgern, die ein Recht auf Zeugnisverweigerung haben, verbessert.
Der Gesetzentwurf stieß bei der Opposition und den betroffenen Verbänden auf heftigen Widerspruch. Aber auch aus den Reihen der Koalition kam Protest. Für den medienpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, geht der Gesetzentwurf viel zu weit. Dies müsse "im parlamentarischen Verfahren grundlegend korrigiert und verbessert werden". Der Verband der Internetwirtschaft (Eco) warf der Regierung vor, die Wirtschaft zum Büttel staatlicher Überwachung zu machen. Der Verband der Informationswirtschaft (Bitkom) forderte vom Staat eine Kostenerstattung.
Nach Ansicht der Bundesrechtsanwaltskammer berücksichtigt der Entwurf nicht ausreichend die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Schutz der Bürgerrechte. Der Deutsche Anwaltsverein lehnte die Vorratsspeicherung ab. "Alle Bürger dem Generalverdacht auszusetzen, sie seien Straftäter, ist unerträglich."
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf Zypries vor, ein ganzes Volk unter Generalverdacht zu stellen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Jörg van Essen, bezweifelte, dass die geänderte Telefonüberwachung die Rechte der Betroffenen stärkt. FDP-Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht mit dem Gesetzentwurf die Pressefreiheit in Gefahr. Auch die Linksfraktion befürchtet Einschnitte in die Bürgerrechte. Der Deutsche Journalisten-Verband sprach von einem Schlag gegen den Informantenschutz.
Quelle: CNET Networks Deutschland GmbH/ZDNet.de und CNET.de